Wie viel Sonne braucht der Mensch?
Das Sonnenlicht ist absolut lebensnotwendig!
Die alten Ägypter wussten es. Die Babylonier auch. Die Römer und Griechen ebenso. Sogar unsere Vorfahren. Wir aber drohen es zu vergessen, nicht in der Theorie, sondern in der Praxis. Wann wir aufstehen, bestimmt unser Wecker und nicht länger der Sonnenaufgang. Wie spät es ist, sagt unsere Uhr und nicht die Sonnenuhr. An welchen Himmelskoordinaten wir uns gerade befinden, weiß unser Kompass, und wohin wir gehen, erkennt unsere Karten-App und nicht der Sonnenstand. Wie lange wir arbeiten, wie lange wir schlafen, wie lange wir wach sind, all das steht in unserem Ermessen und geschieht unabhängig von der Sonne. Wenn es dunkel ist oder wir uns bräunen wollen, schalten wir ein künstliches Licht ein. Deshalb die Frage: Wie viel Sonne braucht der Mensch?
Doch nicht nur bei Uhrzeit, Orientierung, Arbeitspensum, Freizeitgestaltung und Schlaf-Wach-Rhythmus haben wir den Bezug zum Sonnenlicht verloren, sondern ausgerechnet auch bei Gesundheit und Krankheit. Das Ozonloch weist eine bedrohliche Größe auf. Sonnencremes mit immer höheren Lichtschutzfaktoren werden vermarktet. Immer teurere Medikamente werden verkauft, doch Hautkrebshäufigkeit, saisonale affektive Störungen, Sonnenallergie und Vitamin-D-Mangel nehmen zu. Auf der einen Seite Sonnenanbeter, auf der anderen Sonnenabstinenzler, aber Schaden auf beiden Seiten. Deshalb wiederum die Frage: Wie viel Sonne braucht der Mensch?
Wie ist das Sonnenlicht aufgebaut?
Die Sonne erzeugt eine enorme Menge an energiereicher Strahlung: Kosmische Strahlung, Gamma-Strahlung, Röntgen-Strahlung, Ultraviolette (UV) Strahlung, sichtbare Strahlung sowie Infrarot (IR)-Strahlung. Durch unsere Erdatmosphäre werden wir vor aller hochenergetischen Strahlung (kosmische, Gamma-, Röntgen-, UVC-Strahlung) vollständig und vor der UV-Strahlung (UVB, UVA) größtenteils geschützt. Übrig bleibt ein Rest (< 1%) der UV-Strahlung (UVB und UVA von 290–400 nm), das uns sichtbare Lichtspektrum (400–750 nm) sowie die unsichtbare IR-Strahlung (750–2200 nm).
Welchen Effekt hat das Sonnenlicht?
UV-Licht:
Das UVA-Licht gelangt in die oberen sowie in tiefer gelegene Hautschichten und ist für eine vorzeitige Hautalterung verantwortlich. Das UVB-Licht gelangt nur in die oberste Hautschicht, kann einen Sonnenbrand verursachen und die körpereigenen Vorstufen (7-Dehydrocholesterol) in Vitamin D umwandeln. UVA- und UVB-Licht können durch die Erzeugung freier Radikale sowohl weißen als auch schwarzen Hautkrebs verursachen. Aber der menschliche Körper ist den UV-Strahlen nicht schutzlos ausgeliefert. Besondere Hautzellen, die sogenannten Melanozyten, können unter Produktion des Pigments Melanin wie ein Sonnenschirm vor der schädlichen Wirkung der UV-Strahlung schützen, indem dieses Pigment als Antioxidans wirkt und die freien Radikalen abfängt. Darüber hinaus schützt sich der Körper bei Sonneneinstrahlung durch eine Verdickung der obersten Hautschicht, die wie ein Spiegel gegenüber dem UV-Licht wirkt.
UV-Licht-Wirkungen:
• UV-Licht ist ein Glücksbringer. Wenn UVA- und UVB-Licht gleichzeitig auf eine Körperzelle treffen, schüttet diese Zelle Beta-Endorphin aus, ein körpereigenes Glückshormon. Dieses Hormon sorgt nicht nur für ein angenehmes Gefühl und Wohlbefinden, sondern hat auch schmerzlindernde und entspannende Eigenschaften. Dies erklärt auch, warum ein Mangel an Sonnenlicht depressiv macht.
• UV-Licht aktiviert sogenannte Uhren-Gene («clock genes» wie period1 und clock) in verschiedenen Körperzellen, die für die Steuerung unseres Schlaf-Wach-Rhythmus wichtig sind.
• UV-Licht stärkt das Herz, indem es den Blutdruck und Cholesterinspiegel senkt. Über die gefäßerweiternden Substanzen Stickstoffmonoxid (NO), Kohlenmonoxid (CO), Substanz P sowie CGRP wird nicht nur der systolische, sondern auch der diastolische Blutdruck vermindert.
• UV-Licht wirkt immunmodulierend und schützt vor Autoimmun-, Infektions- und Tumor-Erkrankungen. Überstimulation des Immunsystems führt zu Autoimmunerkrankungen, Unterstimulation des Immunsystems dagegen zu Infektions- und Tumorerkrankungen.
• UVB-Licht ermöglicht die Synthese von Vitamin D3.
Sichtbares Licht
Das sichtbare Licht dringt bis in den Bereich innerer Organe vor. Dabei tragen Sonnenlicht am Tag sowie Dunkelheit in der Nacht maßgeblich zu einer gesunden Steuerung unserer inneren Körperuhr und somit zu unserem zirkadianen Körperrhythmus bei. Das blaue Licht (460–500 nm) am Morgen zwischen 6 und 10 Uhr bewirkt einen Anstieg der «Licht-Hormone».
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DIPL. MED. ROBERT KIRSCH, Neurologe, Neurologe, Valens, CH
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