Was uns das Herz zu sagen hat
Das Zusammenspiel von Herz und Seele. Herz und Seele sind enger miteinander verbunden, als Wissenschaftler lange wahrhaben wollten. Psychokardiologen beobachten schon seit mehreren Jahren das Phänomen der sogenannten „Herzratenvariabilität“ und welche Auswirkungen vor allem Streß und psychische Störungen auf sie haben können.
Schlägt das Herz etwas unregelmäßig, mit kleinen fast unmerklichen Abweichungen, deutet alles darauf hin, dass Individuen gut für die Anforderungen des Lebens gewappnet sind. Schlägt das Herz hingegen stur wie ein Metronom, ist das ein Alarmzeichen: Streß, Ängste, Depressionen oder ständige innere Anspannung machen den Herzrhythmus unflexibel – ein Risiko für Herzinfarkt oder plötzlichen Herztod. Psychokardiologen konnten an der Interheart-Studie (2004) nachweisen, dass nicht immer die klassischen Risikofaktoren (Übergewicht, hohe Blutfettwerte, Bluthochdruck, Nikotinkonsum) ausschlaggebend für den Herzinfarkt waren. 30`000 Herz-Patienten wurden untersucht und bei über der Hälfte fand man heraus, dass zwischen Herz-Kreislauf-System und seelischem Befinden eine enge Wechselwirkung bestand. Psychosoziale Probleme wie Depressionen, ungünstige Lebensereignisse oder negativer Streß griffen das Herz ähnlich an wie die klassischen Risikofaktoren.
Auswirkungen der negativen Stimmung
In den vergangenen Jahren rückten vor allem Depressionen in den Fokus der Forschung. Erschrocken stellten Wissenschaftler fest, dass schwer Depressive ein doppelt so hohes Risiko für Herzinfarkt hatten wie Gesunde. Herzkranke lebten ebenfalls deutlich kürzer, wenn ihre Stimmung gedrückt war oder sie Angst hatten. Nebst den Depressionen sprechen Epidemiologen heute von dem Phänomen der sogenannten „vitalen Erschöpfung“, die ähnliche Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem haben wie Depressionen. Chronischer negativer Streß zeigte auch eine Reaktion im Immunsystem (Abwehrsystem des Körpers). Der Körper reagierte mit andauernden Entzündungsreaktionen. Diese Botenstoffe wurden ins Blut geschwemmt und führten zu Arteriosklerosen (Arterienverkalkungen) und Stenosen (Gefäßverengungen). Umgekehrt manipulierten die Entzündungsmarker auch das Gemüt. Sie verursachten gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit und Erschöpfung.
Bewegung und Beziehungspflege dem Herz zuliebe
In der britischen Fachzeitschrift „Lancet“ berichteten Wissenschaftler anhand den Gesundheitsdaten von 400`000 Menschen, dass Personen, die sich jeden Tag nur 15 Minuten lang körperlich betätigten, ihr Risiko, an Herzinfarkt zu sterben, um 20% reduzierten und ihr Leben um ca. drei Jahre verlängerten. Das Training zeigte auch einen unerwarteten Nebeneffekt. Personen, die regelmäßig trainierten, bildeten sogenannte Kollateralen (Brückengefässe). Gefährdete Herzmuskelregionen wurden so neu mit sauerstoffreichem Blut versorgt. Auch dass die Beziehungspflege kardinal für ein gesundes Herz und Gemüt ist, waren sich Wissenschaftler einig. Soziale Unterstützung verbesserte die Stressverarbeitung, bildete einen Schutz vor Belastungsstörungen und reduzierte das Risiko, Depressionen zu entwickeln. Patienten auf Intensivstationen mit einem stabilen sozialen Netz überstanden den Aufenthalt besser. Gute Freundschaften wirkten allgemein Lebensverlängernd.
Zum Nachdenken: Hören Sie auf ihr Herz? Bewegen Sie sich regelmäßig und achten auf eine ausgewogene Ernährung? Gönnen Sie sich erholsame Pausen bei der Arbeit? Wie steht es mit der Freundschaftspflege?
Bild: Radka Schöne / pixelio.de
Robbie Pfandl, M.Sc. in Psychologie
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